Die Entscheidung, Singapur früher als erwartet zu verlassen, ist uns alles andere als leicht gefallen. Aber nicht, weil der Abschied so schmerzlich war, sondern weil wir im Gegenteil keinen richtigen Ausweg gesehen haben.
Die Pandemie hat Singapurs wahres Gesicht gezeigt. Der Stadtstaat in Südostasien mag nach außen hin schick, sauber und ordentlich wirken, aber für mich wurde es mehr und mehr zu einem goldenen Käfig. Versteht mich nicht falsch. Ich bin grundsätzlich der Überzeugung, dass man sich als Ausländer anpassen und den lokalen Regeln und Gegebenheiten unterordnen sollte. Deshalb hab ich mich davor gehütet, mich zu beschweren. Singapur ist eben so wie es ist und das hat auch seine Berechtigung. Immerhin konnte es uns zu einer Zeit, in der Leute um ihre Gesundheit und finanzielle Sicherung bangen, eine wahrhaftige “Safety Bubble” bieten; mit super Infrastruktur und hervorragendem Essen auf schillernden Rooftops. Aber am Ende war Singapur eben genau das, eine Bubble. Und mit fortschreitender Zeit und größer werdendem Sicherheitsbedürfnis der lokalen Community wurde die immer beengter. Am Ende hab ich mich wie in einem Gefängnis unter Palmen gefühlt. Kein Wunder, bedenkt man, dass wir einen Tracker tragen mussten, der uns “zu unserer Sicherheit” auf Schritt und Tritt überwachte. Ein bisschen wie die Trueman Show.
Durch die ständige Überwachung, die gefeierte Denunziation anderer und die immer irrer werdenden Regeln hab ich mich ab irgendeinem Punkt nicht mehr getraut, meine Meinung kundzutun, insbesondere nicht auf einer öffentlich zugänglichen Seite wie dieser hier. Also fiel der Blog hinten runter – meine einzige Bezugsquelle und obendrein eigentlich ein Ort, an dem ich mich kreativ ausleben kann.
Es war also eigentlich offensichtlich, dass wir Singapur verlassen würden. Mit ein bisschen (räumlichem) Abstand wird mir in Gesprächen mit Freunden und Familie auch bewusst, dass es allen anderen viel früher klar war, als uns. Wir waren eben im wahrsten Sinne des Wortes gefangen und untätig, eine Entscheidung zu treffen, oder einen klaren Gedanken zu fassen.
Was obendrein auch noch forciert wurde durch die permanente Informationsflut, die uns zu jeder Zeit und über alle möglichen Kanäle über die Gefahren der Pandemie und die drohenden Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Regeln aufklärte. Am Ende hatten wir echt Angst vor versehentlichen Fehltritten – und möglicherweise noch im Gefängnis zu landen, so wie es anderen tatsächlich passiert war. Wie gesagt, eine einzige Trueman Show.
Unabhängig von den emotionalen Gegebenheiten gab es auch finanzielle Sorgen: Immerhin hatten wir eine ganze Menge Geld in den Aufenthalt in einer der teuersten Städte der Welt investiert und so einige Verträge laufen, die nicht so einfach zu kündigen sind. Und nachdem wir voller Motivation in die weite Welt aufgebrochen waren, wollten wir nun wirklich ungern ohne einen Cent in der Tasche in unseren alten Kinderzimmern enden…
Erstens kommt es anders…
Wenn es ein Sprichwort gibt, das uns in der Zeit in Singapur stetig begleitet hat, dann ist es “Manchmal kommt alles anders”. Wie oft habe ich mich gefragt, wie wir überhaupt in dieser Situation landen konnten. Ursprünglich mit dem großen Plan, in die USA auszuwandern, sind wir am Ende in der völlig anderen Richtung gelandet – und das, obwohl wir vorher noch nie in Asien gewesen waren. Wir waren so begeistert von der Idee, unsere Komfortzone zu verlassen und die Welt zu erkunden. Letztlich waren wir fast zwei Jahre in ein und derselben Stadt gefangen und haben dabei unsere persönliche Komfortzone wohl mehr ausgedehnt, als uns lieb war.
… Und zweitens als man denkt.
Am Ende ist alles ganz anders gekommen. Während all der Zeit haben uns positive Stimmen Mut zugesprochen. Wir würden schon wissen, wann es Zeit ist, zu gehen. Und genau so kam es dann auch. Auf einmal war alles ganz klar und wir haben keine weitere Sekunde gezögert und sind gegangen. Und wir haben seit dem nicht zurückgeblickt. Singapur zu verlassen, war die beste Entscheidung ever. Nach der Entscheidung, überhaupt erst nach Singapur zu gehen, vielleicht. Denn eins ist klar, ohne den Schritt ins Ausland wären wir jetzt um so einige Erfahrungen ärmer.
Aktuell sind wir in Berlin, in unserer Heimat. Und es fühlt sich so unfassbar gut an, unsere Freunde und Familie wieder in die Arme zu schließen und die kostbare Zeit zu genießen und wertvolle Lebenszeit miteinander aufzuholen. Denn wir werden nicht bleiben. Unser Abenteuer im Ausland ist noch nicht zu Ende. Es hat möglicherweise gerade erst angefangen.
Bis bald, eure super glückliche Verena.
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